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Xtra Herbst 2017

ESSAY Die Kunst, voranzugehen Wer hinter jede Innovation ein Ausrufezeichen setzt, könnte manchen Stolperstein übersehen. Die Kunst, voranzugehen, beinhaltet auch die kleineren Schritte PRODUKTIVITÄT IST EIN oft gebrauchter und mehr oder minder vertrauter Begriff, der ein Verhältnis aus Leistung, dem Gesamtwert von Waren und Dienstleistungen und den dafür eingesetzten Arbeitsstunden und Werkstoffen widerspiegelt. Eine Bedeutung über Lehrbücher und Handelsbilanzen hinaus erlangt das angepeilte jährliche „Leistungs-Mehr“ dadurch, dass es uns Menschen ein verheißungsvolles Zukunftsbild als Alternative zu einem Alltag ohne Sinn und Perspektive ver- spricht. Die meisten von uns sind überzeugt, dass ohne Wachs- tum die Welt zu einem trostlosen Ort ohne Chancen verkommt. Wirtschaftliches Wachstum in westlichen Ländern lässt sich zum größten Teil auf neue Technologien und Innovation zurückführen. Dabei sind 80 Prozent aller Produkte, die in zehn Jahren auf den Markt kommen werden, heute noch nicht entwickelt, weil die Lösung für ein bestimmtes „Pro blem“ bis- her noch nicht gefunden werden konnte. Oder das Bedürfnis nicht erkannt wurde. Im Hintergrund steht als Triebfeder die Frage nach Persönlichkeit und Erfolg des Einzelnen sowie der Wettlauf um besondere Arbeitsplätze und attraktive Steuer- zahler aus Sicht des Gesellschaftskollektivs. In erster Linie sind es digitale Technologien, die traditionelle Industrien und Ar- beitswelten in unserer vertrauten Umgebung herausfordern und ablösen. Michail Gorbat schows berühmtester Satz, den er angeblich so nie geäußert hat, lautet: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Damals hat er das etwas geräuschloser formuliert und darauf hinweisen wollen, dass Gefahren eher auf diejenigen warten, die nicht rechtzeitig auf entsprechende Lebenssituationen eingehen. Kodak und Nokia haben die digi- tale Revolution verpasst, teuer dafür bezahlt und bewiesen, dass an der Erkenntnis durchaus etwas dran ist. Natürlich ist es nicht möglich, Innovationen einfach so aus dem Ärmel zu schütteln, und überhaupt: Woher weiß man, was morgen gefragt ist? Da der Unterschied zwischen Idee und In- novation darin besteht, dass im letzteren Fall eine marktfähige Lösung existiert, liegt es in der Natur der Sache, dass diese mit einem wahrgenommenen Kundennutzen verknüpft ist. Zu dem Zweck wird in der Regel auch eine zahlungsbereite Klientel vor- ausgesetzt. Auch die kreativsten Unternehmen wissen nur dann, nach welchen Handlungsfeldern und Einsatzgebieten sie Ausschau halten müssen, wenn sie mit Anwendern einen inten- siven Dialog pflegen. Denn deren Problemstellungen und Be- dürfnisse sind richtungsweisend für zukünftige Markterforder- nisse. Gefragt ist mehr ein fortwährender Prozess als eine ein- malige Aktion: Die Geschichte der Menschheit ist davon ge- prägt, dass man sich laufend neue Dinge ausdenken musste, um zu überleben. Anerkennung kommt selten mit der erstbes- ten revolutionären Idee, sondern aus Überzeugung der Ge- meinschaft, dass damit der Alltag nachhaltig zum Besseren ver- ändert werden kann. Auch unsere Domäne, die Hämatologie, muss nicht immer wieder neu erfunden werden. Aber Grenzen zu verschieben und das Unmögliche zu denken hilft, den Schritt in die nächste Generation der medizinischen Revolutionen vorzubereiten. Dann bekommt das mathematische Zeichen, mit dem Unend- lichkeit symbolisiert wird, eine allgegenwärtige Bedeutung – auch außerhalb des Wissenschaftsalltags. TEXT STEPHAN WILK 64 / 65 XTRA 2 _ 2017

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