IGeL-Leistungen steigen in der Akzeptanz
Die Geburtsstunde des Konzepts der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) liegt mittlerweile 20 Jahre zurück. Mit ihrer Einführung sollte es niedergelassenen Medizinern ermöglicht werden, bestimmte ärztliche Leistungen auch dann erbringen zu können, sollten diese (noch) nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) gehören - aber dennoch im Zuge einer individualisierten Behandlung als medizinisch sinnvoll erachtet werden. Auch sollte es möglich sein, individuell auf Nachfragen von Patienten zu reagieren, wie z.B. auf den Wunsch nach einer Hautkrebsvorsorge vor dem 35. Lebensjahr.
Seit elf Jahren sind Regeln für einen seriösen Umgang mit diesen Selbstzahler-Angeboten an die Patienten durch niedergelassene Mediziner in Form des IGeL-Dekalogs von der Ärzteschaft verabschiedet, IGeL-Vorgaben in der Berufsordnung verankert und ein IGeL-Ratgeber herausgegeben. Als potentielle Orientierungshilfe unter anderem auch für Patienten wurde vor fünf Jahren der IGeL-Monitor vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes der Krankenkassen (MDS) eingeführt, der derzeit 50 Selbstzahler-Leistungen nach eigenen Kriterien bewertet. Doch trotz dieser verschiedenen Maßnahmen, die medizinischen Selbstzahlerleistungen im existierenden Gesundheitssystem möglichst umfassend zu verankern, werden sie zwischen den unterschiedlichen Interessensgruppen – Medizinern, Krankenkassen, Verbraucherschützern, Patientenvertretern, Patienten, Herstellern – nach wie vor kontrovers diskutiert.
Seriöser Umgang sorgt für Akzeptanz
Für die „Ärzte Zeitung“ und „Die PVS“ Gründe genug, 20 Jahre nach der Einführung der Selbstzahlerleistungen eine Leserumfrage unter Medizinern zum Thema „Selbstzahlerleistungen: Immer wertvoller oder verzichtbare Add-ons?“ durchzuführen [1]. Knapp 700 Ärzte beteiligten sich im letzten Herbst an der Umfrage. Mit jeweils etwas unter 60 Prozent wurden IGeL in den Bereichen Labor und Tauglichkeitsuntersuchungen am häufigsten durchgeführt und zwar vor allem als individuell ergänzend für Patienten mit speziellen Sonderwünschen (44 Prozent). Ungefähr 30 Prozent schätze zudem das IGeLn als unverzichtbar zur Teilhabe von Patienten am medizinischen Fortschritt ein.
Diese Einschätzung spiegelt sich auch in dem Wunsch der meisten Teilnehmer der Umfrage wider, dass in der öffentlichen Diskussion rund um die Selbstzahlerleistungen eine deutlichere Position pro-IGeLn bezogen werden sollte (72 Prozent). Denn trotz der häufig negativen Darstellung durch Krankenkassen und Verbraucherverbänden bestätigten gut 40 Prozent der Befragten eine steigende Bereitschaft bei den Patienten zur Akzeptanz des IGeL-Angebots, während nur 13 Prozent meldeten, dass sich die Bereitschaft in den letzten Jahren verschlechtert hätte. Um für Patienten und Mediziner mehr Transparenz und Sicherheit zu schaffen, wünschen sich viele Ärzte unabhängige Evidenz-Analysen von Selbstzahlerleistungen und/oder seriöse Qualitätssiegel (62 und 52 Prozent der Befragten). Gerade dieser erste Aspekt wurde unter anderem bereits in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2011 gefordert, die gleichzeitig den Nutzen von offiziellen Positiv- oder Negativlisten hinterfragte [2].
Von IGeL zur Kassenleistung
Denn wenn sich eine IGeL-Leistung in der medizinischen Praxis bewährt, kann dies letztlich auch zu Veränderungen im Leistungsangebot der Krankenkassen führen. So geschehen bei den iFOBTs zur Darmkrebsvorsorge. Diese immunologischen, fäkalen Okkultbluttests (iFOBTs) weisen gegenüber den klassischen Guajak-basierten Schnelltests (gFOBTs) eine deutlich erhöhte Spezifität auf, da sie nur auf humanes Blut reagieren und zudem weniger störanfällig für Medikamente oder Nahrungsbestandteile sind. Dementsprechend haben viele Mediziner und Medizinproduktehersteller, wie auch HITADO, eine Verwendung der iFOBTs an Stelle der gFOBTs schon seit Jahren befürwortet. Da die iFOBTs im Vergleich zu den klassischen gFOBTs allerdings kostenintensiver sind, stand diese diagnostische Maßnahme nur als IGeL-Leistung zur Verfügung.
Lange wurde ihr Nutzen im IGeL-Monitor zudem als unklar eingeschätzt, obwohl es bereits Studien zur erhöhten Spezifität der iFOBTs gab. Erst im Jahr 2016 entschied sich der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach zähem Ringen letztlich dennoch zur Aufnahme der iFOBT in den Leistungskatalog der GKV, eine Entscheidung, die nach Meinung vieler Mediziner schon lange überfällig war. An diesem Beispiel zeigt sich, dass die oftmals diskutable Bewertung des gesamten Systems der individuellen Gesundheitsleistungen, das ja aus anfordernden Patienten und leistungserbringenden Ärzten besteht, in der Öffentlichkeit nicht zu rechtfertigen ist und Sinn und Nutzen von Fall zu Fall genau geprüft werden müssen.
Nachweise
[1] https://www.aerztezeitung.de/extras/selbstzahlerleistungen/?result=1
[2] Schnell-Inderst P et al.: Individual health services. GMS Health Technol Assess 2011;7
